Ende Oktober lud die Fliedner Fachhochschule Düsseldorf zum 1. Fachtag im Kompetenzzentrum Kinderschutz ein. Anlässlich des diesjährigen Internationalen Tag der Kinderrechte lassen Prof. Dr. Ute Belz, Prorektorin für Weiterbildung und Transfer und Patrizia Stausberg, Weiterbildungskoordinatorin, die Veranstaltung Revue passieren.

Im Interview beantworten sie Fragen zu Aufgaben und Zielen des Kompetenzzentrums und sprechen darüber, wie man als Verantwortungsgemeinschaft Hierarchien überwinden kann.

 

Der 1. Fachtag im Kompetenzzentrum Kinderschutz liegt nun hinter Ihnen. War die Auftaktveranstaltung ein Erfolg?

Patrizia Stausberg: Wir haben durchweg positive Rückmeldungen erhalten. Die Teilnehmer:innen des Fachtages empfanden die Vorträge als kurzweilig und ließen uns wissen, dass es Bedarf zur Wiederholung bzw. Fortführung gibt.

Entlang der unterschiedlichen Schnittstellen in Fragen des Kinderschutzes haben wir eine Vielfalt an Themen und Perspektiven bedient. Gleichzeitig war es an einem einzigen Tag dann natürlich nicht möglich, in allen Fragestellungen in die Tiefe zu gehen. Daher freuen wir uns, dass die Teilnehmer:innen die Veranstaltung mit dem eindeutigen Wunsch nach „mehr“ und „weiter“ verlassen haben.

Ute Belz: Obwohl wir Akteur:innen unterschiedlicher Professionen vereint haben, wurde doch eine große gemeinsame Schnittmenge erkannt. Zu erkennen, vor welche gemeinsamen Herausforderungen uns der Kinderschutz stellt, ist ein wichtiger Schritt in Richtung der Verantwortungsgemeinschaft, zu der wir werden müssen.

 

Eine Aufgabe des Kompetenzzentrums Kinderschutz ist der Auf- bzw. Ausbau eines Netzwerks. Als konkretes Thema der vergangenen Veranstaltung wurde die kooperative Entwicklung von Schutzkonzepten genannt. Wurden diese Ziele erreicht und sind weitere Veranstaltungen in Planung?

Ute Belz: Langfristig wurden die Weichen gestellt. Der erste Fachtag sollte die Möglichkeit zum informellen Austausch und thematischen „Schnuppern“ bieten, wir haben aber nichts forciert. In Zukunft wird die aktive Vernetzung der Teilnehmer:innen stärker im Vordergrund stehen – das ist immer auch eine Frage des Formats.

Das unausgesprochene Ziel der Auftaktveranstaltung war es, die Schnittstellen in einen gemeinsamen Diskurs zu bringen und professionsübergreifendes Wissen herzustellen. Für das Entstehen einer Verantwortungsgemeinschaft ist eben diese Bereitschaft zentral: Akteur:innen in unterschiedlichen Institutionen müssen miteinander ins Gespräch kommen, Kompetenz und Erfahrung miteinander teilen. Nur so kann bei Verdachts- oder Beobachtungsfällen einer Kindeswohlgefährdung sichergestellt werden, dass das Wissen zwischen den Schnittstellen nicht verloren geht. Dafür brauchen wir gemeinsame Konzepte und Arbeitsabläufe.

Wir neigen zu „institutionellen Inseln“ – das kann man sowohl in unserer beruflichen Praxis als auch auf der Mikroebene einer solchen Veranstaltung feststellen. Diese Komfortzone müssen wir verlassen.

 

Auf dem Fachtag kam auch das Thema Hierarchien zur Sprache – wie ist das vor dem Hintergrund Kinderschutz zu verstehen? Welche Rolle spielen Hierarchien bei der Wahrnehmung der eigenen Verantwortung?

Patrizia Stausberg: Eine duale Studentin der Sozialen Arbeit hat das Thema in die Diskussion eingebracht. Dazu sollte vielleicht erwähnt werden, dass wir eine der wenigen Hochschulen sind, die einen ASD Schwerpunkt anbieten – Kinderschutz spielt bei der Ausbildung unserer Studierenden eine große Rolle. Entsprechend hoch ist das Verantwortungsbewusstsein, das die Studierenden entwickeln und in die Praxis einbringen. Besagte Studentin fragte, wie sie ihre Verantwortung aktiv wahrnehmen soll, wenn beispielsweise die pädagogische Leitung der Einrichtung ihre Einschätzung der Kindeswohlgefährdung nicht teilt oder dem nicht nachgehen möchte. Gerade jüngere Profile geraten so in Handlungsdilemmata. Sie besitzen die richtige Haltung, aber noch nicht das notwendige Standing, um eigenverantwortlich handeln zu können.

Ute Belz: Es ist daher umso wichtiger, dass Leitungen geschult werden und sich als Teil der Verantwortungsgemeinschaft wahrnehmen. Studierende oder Berufseinsteiger:innen haben weniger Erfahrung, sind aber oftmals diejenigen, die jeden Tag mit den Kindern zusammen sind. Sie dürfen nicht den Mut verlieren, ihre Beobachtungen mitzuteilen und eine Einschätzung abzugeben. Was wir im Kompetenzzentrum leisten wollen, ist ein entsprechendes Bewusstsein bei den Entscheider:innen zu befördern. Die Weiterbildung von Führungskräften in Fragen des Kinderschutzes wäre ein konkretes Thema für einen der kommenden Fachtage.

 

Kompetenzzentren, in ihrer Funktion des Transfers und der Wissenszirkulation, zeichnen sich durch den ständigen Dialog mit Beteiligten Akteur:innen und Institutionen aus. Das Kompetenzzentrum Kinderschutz der Fliedner Fachhochschule verfolgt das Ziel einer interdisziplinären Verantwortungsgemeinschaft in Fragen des Kinderschutzes.

 

Ständige Mitglieder des Kompetenzzentrums Kinderschutz sind:

Prof. Martin Menzel-Bösing

Prof. Dr. Ute Belz

Prof. Dr. Sonja Damen

Prof. Dr. med. Bernhard Hemming

Anna Titze